Thomas Daniel Schlee ist tot.

Wer verneigt sich noch vor jemandem?  Vor einer wunderbaren Persönlichkeit verneige ich mich. Thomas Daniel Schlee, Komponist, Organist, Musikmanager ist tot. Ein Verlust, den ich außerordentlich bedaure. Es standen uns noch Begegnungen und Gespräche bevor, künstlerische und intellektuelle Bereicherung, mit der ich gerechnet hatte. In dieser Form wird es das für mich nicht mehr geben. 

Thomas Daniel Schlee unterrichtete in meiner Studienzeit das Fach „Musik nach 1945“. Ausgerechnet dieses Fach, das ich selbst mehrere Jahre an der Universität für Musik und darstellende Kunst unterrichten durfte. Der unbefangene, neugierige, staunende, und auch distanzierte Blick auf jene heute bereits versunkene Welt der musikalischen Avantgarde, wurde auch zu meinem Vorbild. Seine Bescheidenheit wirkte auf mich ebenfalls wie ein Staunen über diese Welt. Den verehrten Meister Olivier Messiaen auf der Bühne des Schubert-Saals in Wiener Konzerthaus im Gespräch: Das war für mich ein historisches Erlebnis. Erst heute begreife ich, dass wir damals am Ende der Geschichte auch der Musik angekommen waren. Alles hat sich seither verändert, und fast möchte es scheinen, als hätte sich der Komponist Thomas Daniel Schlee nur für einen Moment zurückgezogen, um eine Konsolidierung von Welt und Gesellschaft abzuwarten. Meine Fragen an ihn bleiben unbeantwortet nunmehr. Er hat sich mehr als wohlwollend über meine Kirchenoper „Unsichtbare Mächte“ über Dietrich Bonhoeffer geäußert, und das Werk eingeladen zum Carinthischen Sommer nach Ossiach. Auch das wird es nicht mehr geben. Diesen Typus von Mensch und Künstler, wie Thomas Daniel Schlee, rar und wertvoll für unsere Kulturlandschaftsgestaltung, ebensowenig. Freilich: die Zeit geht weiter, Epochen lösen einander ab, aber es gibt mehr, als nur die stetige Veränderung: Es gibt doch auch das, was bleibt. Vielleicht, weil es nicht überboten werden kann. Vor allem was den Charakter eines Menschen als Gegenüber betrifft, jemand, der Meinung und Haltung nicht nur begründen kann, sondern für den sie auch zutiefst in seiner Persönlichkeit verankert ist und einzigartig zugleich. Thomas Daniel Schlee bleibt mir Zeugnis eines neuen Menschen aus einer Welt von gestern.

Thomas Cornelius Desi, 11. November 2025